Du hast all die Kraft, die du brauchst, wenn du nur wagst, sie zu finden.

– Das letzte Einhorn –

 

 

Die Türe fällt hinter mir ins Schloss. Ich drehe mich noch einmal um.

Mein Blick fällt auf das Hostel und auf all das, was war.

Und das was war, nehme ich mit. Mit auf meine Reise ins Ungewisse.

 

DIE REISE BEGINNT

 

Tag 1.

Ich bin nervös. Es geht los. Angekommen am Busbahnhof in Valpo verstaue ich mein Backpack im unteren Kofferraum des Busses, steige in die viel zu enge und verstaubte Kabine und suche mir einen Platz am Fenster. Ich habe eine 30 Stunden Busfahrt vor mir. Von Valparaiso ganz hinauf, in den Norden, nach Arica. Ich stecke mir meine Ohrstöpsel in die Ohren, drücke auf Play und meine Reise beginnt.

Ich denke daran, dass ich gestern noch Angst hatte, meine Fahrt anzutreten. Und dass ich es jetzt gewagt habe. Ich bin stolz auf mich. Denn ich sitze hier im Bus und bewege mich auf mein Ziel, auf meinen Wunsch, zu.

Und in dem Moment muss ich an meine Oma denken. Vielleicht habe ich das ein bisschen von ihr. Den Mut in unbekannte Gewässer aufzubrechen und die Kraft, der Angst und den Zweifel entgegenzublicken, sollten sie mal aufploppen. Und vor allem, die eigene Kraft zu erkennen und sich trauen, sie zu leben.

Meine Oma ist wohl der Mensch, für den sich die Welt seit ihrem Tod ein kleines bisschen langsamer dreht. Oder ein kleines bisschen verkehrt herum. Zumindest meine Welt.

Ich habe die letzten Jahre kaum über sie gesprochen. Weder mit meiner Schwester, noch mit meiner Mama. Klar, aus Schutz natürlich. Aber vielleicht sollte ich mal anfangen über sie zu sprechen. Denn wie es scheint, habe ich vielleicht ein bisschen was von ihr geerbt. Von einer so starken Frau.

 

EINE HOMMAGE AN MEINE HELDIN

 

Meine Eltern haben sich getrennt, da war ich drei Jahre alt. Ich kann mich nur noch an Brocken aus meiner Kindheit erinnern. An meine Schwester, die versucht hat, mich vor allem zu beschützen. Zusammen mit ihr und meiner Oma habe ich die schönsten Erinnerungen an meine Kindheit. Wir waren im Freien, am Wasser, haben gespielt, getanzt und gelacht. Ja, meine Olo, wie sehr ich sie liebe und vermisse.

Schon komisch, dass mir das jetzt erst klar wird. bzw. dass ich es erst jetzt zulassen kann zu spüren, oder mir erlauben darf, das zu spüren. Zu spüren, was ich seit Jahren tief in mir vergraben habe. Zurückgehalten habe, um andere zu trösten und um mich zu schützen.

Es jetzt auszusprechen tut gut. Ich lasse es raus. Meine ganzen Gefühle und meine Trauer. Denn ich vermisse sie. Ich vermisse ihre Umarmungen, ihre Zärtlichkeiten und ihre Liebe. Die Liebe, die mein Vater mir nicht geben konnte, hat mir meine Oma gegeben. Genauso wie die Zeit, die meine Mutter nicht hatte, wenn sie arbeiten musste. Meine Mutter, die ebenso stark wie meine Oma, 2 Kinder alleine großgezogen hat.

Ich habe wohl das Glück, umgeben von starken Frauen zu sein.

 

MEINE OMA, MEINE HELDIN

 

Ich vermisse es, wie sie mir ihre Geschichte erzählt hat. Immer und immer wieder musste sie mir ihre story erzählen. Doch war es viel mehr als eine Geschichte, es war die Geschichte einer Heldin. Wie sie den Krieg überlebt hat. Alleine. Denn ohne Hilfe hat sie, selbst noch ein halbes Kind, eine Gruppe Jugendlicher durch den Krieg geführt, im tiefsten Winter. Sie hat sich für Andere eingesetzt und dafür ihr Leben riskiert.

Ich denke, ich habe viel von meiner Oma geerbt. Den Mut, Dinge alleine anzugehen, ohne Hilfe, ohne jemanden anders. Und diese Kraft dann auch zu leben und nach außen zu strahlen. Naja zumindest bin ich gerade dabei, das zu lernen 🙂

Die Kraft, die in uns allen schlummert. Die Kraft, die wir manchmal uns nicht trauen zu sehen und Anderen zu zeigen.

So lange Zeit habe ich mich versteckt. Habe meinen Traum zu Schreiben und damit etwas zu bewegen, nach hintern vergraben. Und warum? Aus der Angst gesehen zu werden.

Doch warum das so ist? Keine Ahnung. Vielleicht weil man etwas riskiert, wenn man springt. Doch glaube ich, es ist ehrenhafter zu springen und zu fallen, als mit einem Fallschirm durchs Leben zu gehen und ihn doch nie zu öffnen.

 

LASS UND GEMEINSAM SPRINGEN

 

Meine Oma und ich waren Freundinnen. Wir waren Geschichtenerzähler, Zeitgenossen und Herumtreiber.

Nie werde ich vergessen wie wir zusammen auf ihrem Sofa saßen und sie mir Dinge aus ihrer Kindheit und der meiner Mutter erzählt hat und ich gebannt zugehört habe. Und nach und nach ihre Sätze aus dem Gedächtnis vollenden konnte.

Wir waren ein Team. Das Team bestand aus meiner Oma und mir.

Ihre Umarmungen vermisse ich genauso wie ihre Worte. Worte, die mich getröstet haben, wenn sie mich trösten sollten und die mich zum Lachen brachten, wenn es galt, meine Tränen zu trocknen.

Ihre Einzigartigkeit vermisse ich, denn sie war nicht wie andere Omas. Sie war eine Frau von Stärke, denn sie war Oma, Mutter und Vater in einem. Sie war diejenige, die ich aufsuchte, wenn ich mich alleine gefühlt habe und wenn sonst niemand da war, der mich verstand.

Begleitet hast du mich auf meinem Weg bis es Zeit war für dich zu gehen. Abschied zu nehmen von deiner Familie, die dir alles bedeutet hat und der du alles bedeutet hast. Du fehlst mir. Jeden verdammten Tag. Und das zu sagen, erlöst mich. Erlöst mich von Trauer, die in uns schlummert, verborgen tief in einer Schachtel. Die wir bei Zeiten nicht zu fähig sind zu öffnen. Doch wenn die Zeit kommt, zeigt sie sich uns, in all ihrer Hässlichkeit und Schönheit zugleich.

Und dann sind wir frei.

 

Visit Us On TwitterVisit Us On FacebookVisit Us On Google Plus