Ich wäre gerne Superwoman. Nicht, weil ich gerne fliegen könnte oder mir der rote Umhang so gut gefällt.
Auch nicht weil der hübsche Clark Kent dann quasi mein Freund wäre.
Ich wäre gerne Superwoman, weil sie hilft. Weil sie die ganze Welt retten kann, wenn sie möchte.
Als Kind wollte ich zum FBI. Später, als ich größer wurde, wollte ich Anwältin werden, dann Ärztin. Und jetzt, weitesgehend erwachsen, möchte ich Superwoman sein. Wie du siehst, meine Vorstellungen immer sehr realistisch gehalten.
EIN SCHUSS ANERKENNUNG, BITTE
Warum das ganze? Weil ich schon immer das Bedürfnis hatte, Menschen zu helfen. Menschen zu helfen, die in Not sind oder aber Ungerechtigkeiten aufzudecken und diese zu bekämpfen.
Ich wäre gerne der Held, der aus dem schwarzen Schatten tritt und wie aus dem Nichts jeden Schurken umhaut. Wie Bruce Willis aus Unbreakable. Wie Bruce Wayne aus Batman oder aber eben wie Superwoman.
Und, ach scheiß drauf, ganz ehrlich: vielleicht will ich auch die Anerkennung. Die Anerkennung, die Superwoman bekommt wenn sie den kleinen Jungen unter dem brennenden Laster hervorzieht. Die Leute, die applaudierend am Straßenrand stehen und die Heldin, die mit einem Lächeln in die Lüfte abhebt.
Doch ist das so verwerflich? Und wollen wir nicht alle von Zeit zu Zeit einen kleinen Schulterklopfer?
BIST DU STOLZ AUF DICH SELBST?
Ich jedenfalls möchte das. Jemanden, der mir ab und zu sagt:
Gut gemacht! Ich bin stolz auf dich!
Eine kluge Person sagte mir einmal, dass man sich all das selbst geben soll. Die Anerkennung. Den Respekt. Und nicht zu vergessen, die eigene Wertschätzung.
„Wachse zur Königin deiner eigenen Welt!“ – Diesen Satz finde ich super! Ohne Überheblichkeit, ohne Arroganz, nein, einfach nur stolz auf sich selbst zu sein.
EINE LISTE MEINER SCHWÄCHEN
Aber hey, so einfach finde ich das gar nicht mal. Da sitze ich, am anderen Ende der Welt. In der einen Hand ein Glas Mojito und in der Anderen ne ganze Handvoll Zweifel.
Und ich denke nach, darüber, was mein Kryptonit ist. Meine Schwäche. Meine Schwäche, die mich nicht Superwoman sein lässt.
Und los geht’s auch schon:
Ich bin faul. Ich kann mich superschnell für etwas begeistern, aber wenn es dann um das Umsetzen geht, scheitere ich. Deswegen steht auch eine Gitarre in meinem Zimmer – nur dass sie nicht da steht, weil ich so gerne auf ihr spiele, sondern weil sie einfach cool aussieht. Doof, oder?
Ich bin eifersüchtig auf Models, die ich in Magazinen sehe. Habe bestimmt 4 Kilo zu viel auf der Waage, aber zu faul um Sport zu machen. Ich esse liebend gerne Erdnussbutter-Marmeladen-Brote, obwohl ich weiß, wie ungesund das ist. Ich labere immer einen auf, wie wichtig es ist, umweltbewusst zu leben und die Natur zu respektieren – aber Daheim trenne ich nicht mal meinen Müll. Ich hätte gerne einen Freund – aber zugeben tue ich das nicht. Denn das signalisiert ja irgendwie Schwäche. Und den Mut aufbringen, den heißen Typen an der Bar anzureden? No way, er könnte mir ja eine Abfuhr erteilen. Und wie stünde ich denn dann da? Ich habe Angst, offen meine Meinung zu sagen, Angst, die Leute zu verscheuchen, die anderer Meinung sind und mich für bescheuert halten. Ich putze zu selten das Bad, trinke zu viel Wein und Bier, rede zu viel über den Sinn des Lebens, doch ändern tue ich doch nichts. Ich weiß nicht was ich will, kann nicht „Nein!“ sagen, bin zu streng zu mir selbst..
Nein, ich bin nicht Superwoman. Wohl eher der kleine Gehilfe von Batman, Robin. Nur dass der wenigstens für ne gute Sache kämpft.
Und all die Leute, die vorbei gehen, lachen, tanzen und leben, die verpasse ich. Ich verpasse sie, die unglaublichen Eindrücke, hier in Chile. Ich verpasse sie, weil ich damit beschäftigt bin, mir über meine Schwächen Gedanken zu machen.
Ich verpasse mein Leben.
STEP BY STEP IN RICHTUNG ZIELGERADE
Wie bescheuert ist das denn?
Ich sitze doch nicht 2 Tage im Flieger und kämpfe mich durch nicht-verstanden-werden, als das ich dann hier hocke und meinen inneren Kritiker schimpfen lasse! Und wer zur Hölle ist schon Superwoman? Sie hat bestimmt Extensions und sich die Brüste operativ vergrößern lassen. So.
Ich stehe auf, beginne zu laufen und umso mehr Schritte ich hinter mir lasse, umso mehr wird mir klar: Ich bin vielleicht nicht Superwoman, jemand, der die ganze Welt rettet. Aber ich laufe hier, weit weg von daheim, von meinen Liebsten und setze einen Fuß vor den Anderen.
Ich hab zwar keine Ahnung wohin ich laufe und wo mein Weg endet, aber ich laufe. Und das, denke ich, macht mich vielleicht doch ein klitzekleines bisschen zu einem Helden.
Zum Held meiner eigenen Welt.