“Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?”
– Vincent van Gogh
Schön gesagt, nicht? Nur manchmal gar nicht so easy. Hier in meinem Hostel ist es eigentlich ganz bequem. Ich bin sicher, ich weiß wo ich schlafe und wo ich das Klo und die Küche finde.
Sicher, ja. Nur erlebe ich so auch nichts. Und vorankommen tue ich ebenso wenig.
Also heißt es nach 4 Tagen Santiago, ankommen und akklimatisieren: Im back on the road again!
Bepackt mit Backpack und Bammel mache ich mich auf nach Valparaiso! Die Stadt am Hafen. Die Stadt, die niemals schläft, heißt es. Was für mich soviel heißt wie:
Spaß, Fiesta und Risiko!
Perfekt! Genau das, was ich gerade brauche. Dazu noch eine Zigarette, ein Glas Rotwein und mit etwas Glück ein süßer Südamerikaner und ich bin dabei.
Auf der Seite „Workaway“ finde ich eine freie Stelle in einem Hostel in Valparaiso – gut, nicht genau das, wonach ich suche (für den Weltfrieden demonstrieren ist hier wohl nicht drin), aber hey, zumindest geht was voran.
Doch was wird mich dort erwarten? Wird es mir gefallen und wie komme ich überhaupt dort hin?
Klar, es geht um Risiko. Risiko vs. Sicherheit. Erinnert mich ein klein wenig an Poker – nur das mir hier der Einsatz zu hoch ist.
Wurscht, schon wieder zu viel Gedenke. Tschüssikowski ihr Gedanken. Ich lege die erste Karte auf den Tisch, spiele auf Risiko und steige in den Bus, der mich in die verruchte Stadt bringt.
HEY RISIKO, DU BIST GAR NICHT MAL SO ÜBEL
Angekommen in Valpo, wie es die Einheimischen nennen, bemerke ich sofort den Unterschied. Den Unterschied zwischen Risiko und Sicherheit.
Und ich glaube, gerade gefällt mir Risiko ganz gut.
Überall in den Straßen sieht man Graffitis, Menschen gekleidet wie Hippies, Kunst, freilaufende Hunde jagen den Taxis hinterher, es liegt Abenteuer in der Luft. Und riechen tut es nach Freiheit, Sex und billigem Schnaps.
3 Dinge, die ich schon länger nicht mehr hatte..
Jep, Hier gefällt es mir! Sekundenschnelle Entscheidung.
Ich lege meine nächste Karte: All in.
DIE BÄUME ERSCHEINEN MIR GRÖSSER, DIE MENSCHEN LEICHTER
Auf der Suche nach meinem Hostel schlendere ich durch die Gassen dieser verrückten Stadt und eines wird mir sofort klar: Das Leben hier spielt sich auf der Straße ab. Hier stehen Freunde zusammen auf dem Gehweg, in der einen Hand ne Kippe, in der Anderen ein Glas Rotwein und freuen sich des Lebens. Lachen, singen und sind einfach nur da. Hört sich an wie ein ausgelutschtes Klischee? Mag sein, aber genau so ist es!
Diese sprudelnde Energie und der Genuss des Moments, übertragen sich sofort auf mich. Ich fühle mich nach Minuten leichter, frei und froh. Schon lustig, wie sich die Energie und die Stimmung Anderer auf die unsere überträgt.
Aufgeregt und angekratzt laufe ich weiter, sauge alles Fremde in mir auf. Die Stadt ist auf Hügel aufgebaut, um vor Tsunamis zu schützen – was ihr einen unglaublichen Charme verleiht, sie besonders macht. Einzigartig. Bunte Häuser und die Kunst sind das Markenzeichen von Valpo. Dazu kommt der Geruch von Bob Marleys Hauptnahrungsmittel hinter jeder 2. Straßenecke – hach, wie in einer Hängematte auf Kuba!
HALLO NEUE FREUNDE, HIER BIN ICH!
Mit etwas Mühe finde ich das Hostel, das für die nächsten Wochen mein Zuhause ist. Licanantay ist der Name. Aus der Stellenanzeige entnommen, arbeiten hier auch noch 3 weitere Volunteers.
Ich bin gespannt. Wie sind die Anderen? Werde ich sie mögen? Werden sie mich mögen?
Ich klingele an der Haustüre, die kunterbunt bemalt ist und vor der ein überquellender Aschenbecher und leere Weinflaschen stehen. Und das an einem Dienstag. Me gusta!
Und schon wird mir die Türe geöffnet und hinein geht ein Mädchen, das ein wenig unsicher ist mit der spanischen Sprache und nicht so recht weiß, was sie erwartet. Nur gut, dass ihr jemand öffnet, der vor Albernheit, Witz und Lebensfreude nur so strotzt. Pablo, Spanier und Lebenskünstler, ist ein Mensch, den man ansieht und lächeln muss. Einer von den Guten.
Ebenso wie seine Freundin Diana, die anfangs etwas schüchtern ist, man jedoch nach einiger Zeit erkennt, wie wunderschön sie ist. Und dann ist da noch Matthieu (dessen Name ich immer falsch schreibe), er ist Franzose. Ja, ich denke mehr muss ich nicht sagen, er ist Franzose 😉
VOLLES RISIKO, BABY
Zu diesem Zeitpunkt ahne ich noch nicht, wie viel ich mit und durch diese Drei lernen werde – Darüber, sich in eine bestehende feste Gruppe hineinzuleben, sich zu integrieren. Den Mut zu haben, sich zu öffnen, auf Fremde zuzugehen und ihnen dein wahres Ich zu präsentieren. Und darüber, dass auch das gar nicht mal so easy ist.
Nein, denn zu diesem Zeitpunkt laufe ich mit weit geöffneten Augen durch das Hostel und kann gar nicht wirklich glauben, dass ich hier bin! Hier in Südamerika mit meinem ersten Job! Jippiie, ich habe es geschafft!
Scheißegal, dass hier keine weiße Friedenstaube durch die Gänge fliegt oder ich über Armut, Korruption und Ungerechtigkeit schreiben kann. Scheißegal, denn ich habe ein Zuhause. Und ich bin mir sicher, ich weiß auch gleich wo ich Küche und Klo finde.
Ich lege meine letzte Karte. Full House.