Es trafen sich einmal 3 Fremde. 3 Fremde, jeder aus einem anderen Land & jeder mit einer anderen Geschichte.Doch am Ende war es eine gemeinsame Geschichte. Die Geschichte von 3 Fremden, die zu Freunden wurden. Denn eine Sache haben alle drei gemeinsam.

 

 

JOSÉ

 

José liebt Fußball. Selber spielt er allerdings keinen, dafür fehlt ihm die Motivation und ein Ball. Einen Ball könnte er sich im Laden kaufen – die Motivation leider nicht. Dafür hat er eine Menge Humor. Das sei auch eine Art von Sport, sagt er, schließlich lacht man und trainiert dabei die Bauchmuskeln. Recht hat er. José liebt es, Menschen bei sich aufzunehmen und ihnen alles zu zeigen: Den berühmten Markt in Tacna, Peru, auf dem du alles erwerben kannst, was du dir wünschst. Parfum von Calvin Klein, Schmuck mit Steinen, die fast als Diamanten durchgehen könnten, Schuhe, frittiertes Essen und warme Alpaca-Pullis. José steht insgeheim auf die Pussycat Dolls, würde das aber nie zugeben. Genauso wenig, dass er nach 2 Pisco Sour – dem Nationalgetränk – bereits betrunken ist. Er würde nie zugeben, dass er sich verloren fühlt, von Zeit zu Zeit, in einem Land, das für ihn keine Perspektiven zu haben scheint. Zumindest nicht, wenn du wie er, ein Student bist, der von den Eltern nicht unterstützt wird und auch sonst nicht viel besitzt. Er würde nie zugeben, dass er sich eine Chance wünscht. Eine Chance, seinen Weg zu gehen und das zu werden, was er sein möchte. Und er würde nie zugeben, wie wahnsinnig liebenswert und herzlich er ist. Dass man sich bei ihm sofort Zuhause fühlt, auch wenn man sich zu 3. ein Bett teilt und mit dem warmen Wasser sparsam sein muss. Wenn er könnte, würde er dir das Waldorf Astoria zu Füßen legen. Doch das hier, das ist viel besser.

Und er würde nie zugeben, dass er Angst hat, von Zeit zu Zeit.

 

MARIA

 

Maria sagt, sie hätte ein paar Pfund zu viel auf den Rippen und dass sie ihr Freund bestimmt deswegen verlassen hätte. Dass er trainieren würde, um irgendwann auszusehen wie dieser eine Kinderstar, wie heißt er nochmal? Ja genau, Popeye. Er wolle so aussehen wie Popeye. Ich sage ihr, ihr Freund hat sie verlassen weil er ein Vollpfosten ist und dass er so viel Spinat essen könne wie er wolle, wie Popeye würde er niemals aussehen. Maria lacht. Maria lacht den ganzen Tag und redet den ganzen Tag. Sie liebt es Geschichten von ihren Kindern zu erzählen, als sie noch ganz klein waren. Dann strahlen ihre Augen. Dann ist sie glücklich. Sie steht auf gutes Essen, aber kein Fast Food, das kommt ihr nicht ins Haus. Aber frittiert muss es schon sein 🙂 Maria trägt jede Menge Ketten, jede hat eine andere Bedeutung und jede eine andere Geschichte. Im Gefühl war sie schon überall auf der Welt, jede Kette ein Land. Im Gefühl stand sie auf dem Mount Everest, fütterte freilaufende Affen in Indonesien, tanzte mit Kindern in Afrika und schwamm mit Walen in Neuseeland um die Wette. Im Gefühl hat sie alles gesehen und alles erlebt. In Echt ist sie noch nie aus Chile rausgekommen – das hier ist ihre erste Reise. Ihr erster Urlaub. Etwas, das sie für sich macht, für sie ganz alleine. In Echt befinden sie und ihre Familie sich unter der Armutsgrenze. In Echt weiß sie nicht, wie sie ihre Rechnungen bezahlen soll und wer auf ihre Kinder aufpasst, wenn sie Nachtschichten im Krankenhaus schiebt. In Echt ist sie eine der mutigsten und stärksten Frauen, die ich kenne.

Und in Echt hat sie Angst, von Zeit zu Zeit.

 

VERENA

 

Verena steht auf die Band Absolute Beginner, singt laut bei Liedern mit, die sie nicht kennt und grölt betrunken falsche Texte. Sie wird rot, wenn ihr etwas peinlich ist, sie ein Kompliment bekommt oder beim Lügen ertappt wird. Sie lacht über ihre eigenen Witze am lautesten & applaudiert immer an der falschen Stelle. Verena ist ein sehr emphatischer Mensch – sie weint nicht nur mit, wenn eine gute Freundin weint, sondern ebenso bei Werbesendungen auf Arte. Sie liebt es, von ihren Freunden und ihrer Familie Daheim zu erzählen. Stolz berichtet sie über ihre große Schwester, ihre Mutter und ihre Freunde, die sie Schritt für Schritt begleiten. Sie vermisst ihre Freunde, spielt aber dennoch von Zeit zu Zeit den einsamen Wolf, der sich alleine durchkämpft. Warum sie das macht, weiß sie auch nicht genau, hofft aber jeden Tag auf eine Antwort. Verena versucht immer das Positive zu sehen, egal in welcher Scheißsituation du dich befindest, bemüht sie sich, dir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern – bei ihr selber gelingt ihr das nicht so oft. Kritik ist einer ihrer engsten und unbeliebtesten Begleiter. Sie hofft, sie wird ihn auf ihren Reisen früher oder später abschütteln. Definitiv lieber früher als später. Wenn sie könnte, würde sie immer noch die halbe Welt retten, aber hat mittlerweile gelernt, dass das eventuell nicht ganz so einfach ist. Stattdessen geht sie lieber kleinere Schritte und backt Fremden einen Kuchen oder sammelt Müll am Strand ein. Verena hat ihr halbes Leben damit verbracht, es Anderen Recht zu machen und sich selber dabei zu vergessen. Nun versucht sie mal etwas Neues: Ihr eigenes Leben zu leben. Das ist nicht immer leicht, aber sie ist auf einem guten Weg.

Und trotzdem hat sie Angst, von Zeit zu Zeit.

 

Aber das macht nichts, denn Angst haben wir alle vor irgendwas. Wir alle. Und das ist das Schöne. Denn wenn wir alle schon mal eine Gemeinsamkeit haben, wie groß kann der Unterschied dann noch sein?

 

Und so wurden aus 3 Fremden, die im Grunde nicht viel gemeinsam haben, 3 Freunde. 3 Freunde, die zusammen lachen, bis sie Bauchschmerzen bekommen, Geschichten erzählen und vielleicht auch ein bisschen Angst haben, von Zeit zu Zeit. Und genau das sie verschweißt.

 

 

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