Ich bin in Peru. Angekommen auf meinem nächsten Stopp, auf meinem Weg nach Columbien. Liegen also nur noch 2482 zwischen mir und meinem Ziel.

 

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Nachdem ich mich noch weitere 30 Minuten auf dem Klo vor mir und der Wirklichkeit versteckt hatte, wage ich mich wieder in mein Leben.

Zusammen mit Maria. Meiner neuen Freundin.

Einer Freundin, die wie sich herausstellte, keineswegs verrückt ist, sondern ein fabelhafter Mensch. Denn sie hat mir den Arsch gerettet: Mit ihr zusammen bin ich sicher über die Grenzen gekommen, sie hat für mich Jose, meinem Freund bei Couchsurfen angerufen, und sie ist es auch, die gerade neben mir sitzt und mir etwas erzählt.

Nämlich ihre Geschichte.

 

IS IT A MAD, MAD WORLD?

 

Sie dreht mir eine Zigarette, ich klemme mir mein Backpack unter meine Beine und schaue in den Himmel. Es beginnt zu wehen, ein Sturm zieht auf.

Es ist schon komisch, wir sitzen hier und ich verstehe eigentlich nur die Hälfte von dem was sie erzählt, und doch verstehe ich alles.

Ich verstehe, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen kleinen Urlaub macht, nur für sich. Mit 36 Jahren. Ich verstehe, dass der Mann ihrer Kinder sie verlassen hat und dass sie hofft, dass er irgendwann zurückkommt. Dass sie sich einsam fühlt, von Zeit zu Zeit. Dass sie mit 3 Kindern in einer Ein-Zimmer-Bude in Chile hockt und nicht weiß, wie sie nächste Woche ihre Rechnungen bezahlen soll. Ich verstehe, dass sie Krankenschwester ist und Nachtschichten schiebt, um einem ihrer Kinder die Uni zu finanzieren. Es geht nur Einer, denn die Universität ist in Chile so teuer, dass eigentlich nur die Reichen dort studieren können. Oder diejenigen, die das Glück haben, eines der wenigen Stipendien zu ergattern. Oder diejenigen, die Beziehungen haben. Es scheint, als hätten die Reichen alles und die Armen nichts. Nichtmal eine Chance.

Und sie hat nichts davon. Und trotzdem gibt sie die Hoffnung nicht auf, dass sie dem Ältesten irgendwann seinen größten Wunsch erfüllen kann. Denn er möchte auch im Krankenhaus arbeiten – aber natürlich nicht als Schwester, das seie nur was für Frauen, sondern als richtiger Arzt.

 

WIR WOLLEN SO VIEL UND VERGESSEN, WAS WIR BEREITS HABEN

 

Ich verstehe. Doch ich verstehe nicht, als sie sagt, sie seie glücklich. Und dass sie nicht mehr brauche. Dass sie alles habe. Wie kann man glücklich sein, wenn das Leben so ungerecht zu sein scheint? Ich schaue sie an und sie lächelt. Ich schaue wieder in den Himmel und frage mich, was auf dieser Welt eigentlich schief läuft. Ich frage mich, wie Menschen wie du und ich uns über Dinge beschweren, die so nebensächlich sind, im Vergleich dazu. Wir scheinen alles zu haben und doch wollen wir immer mehr. Sind nicht zufrieden zu stellen. Rasen im 5. Gang auf der Autobahn Richtung… Ja wohin eigentlich?

Wir wollen glücklich sein. Mehr als alles andere auf der Welt. Und dafür strampeln wir wie die Bekloppten.

Und neben mir sitzt eine junge Frau und sagt, sie hätte alles, was sie braucht. Und das sei nur die Liebe ihrer Kinder.

Vielleicht ist es ja so. Eines Tages wache ich auf und verstehe, dass ich alles habe, was ich brauche. Dass ich dort bin wo ich hingehöre und alles gut ist, so wie es ist. Ich habe meine 2 Beine, einen (meist) gesunden Menschenverstand, nicht wahnsinnig viele, aber dafür gute Freunde, genug Geld in der Tasche, um mir eine Stulle zu kaufen und die Liebe meiner Familie.

Die Liebe, ist, so wie es scheint, die einzige Sache, der wir nicht hinterherlaufen müssen, wie die Bekloppten. Sie ist da. Ständig. In dir, in mir und dem Typen, der uns gerade nach ein paar Pesos fragt. Nur kommt es vor, dass wir sie von Zeit zu Zeit nicht sehen, nicht wahrnehmen können. Aber da ist sie trotzdem.

 

TRAVELLING MAKES U THANKFUL

 

Das Schöne am Reisen ist, dass man immer wieder auf das aufmerksam gemacht wird, was wir doch alles besitzen. Und das ist so wahnsinnig viel, im Vergleich dazu, was Andere haben. Du wertschätzt jede Kleinigkeit, sei es ein intensives Gespräch mit einem Fremden, ein Bett in einem Hostel, in dem es KEINE Bettwanzen gibt oder jemand, der tatsächlich in der Lage ist, Zigaretten zu drehen (denn ich bin es nicht :)). Maria reicht mir das fertige Kunstwerk, ich zünde sie mit ein paar Streichhölzern an und nehme einen Zug.

Ich blase den Rauch in den Himmel und spüre ein Gefühl von Traurigkeit. Denn sie tut mir leid, ich wünschte, ich könnte ihr irgendwie helfen.

Und als ob sie meine Gedanken lesen könnte, sagt sie:

„Was guckst du denn so traurig, mi amore? Ich sagte doch, ich habe alles was ich brauche. Und mehr als das, brauche ich nicht.“

 

Und da fängt es an zu regnen. Der Sturm bricht über uns hinein. Und gemeinsam schauen wir in den Himmel.

 

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