Wenn du in einem fremden Land bist, dehnt sich alles aus. Jede einzelne Minute fühlt sich an wie eine Ewigkeit. 

 

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Du kannst Sekunden ziehen wie Kaugummi. Du saugst alles Fremde in dir auf und läufst mit weit geöffneten Augen durch die Straßen. Immer auf der Suche nach dem einen Moment, den du nie wieder vergessen willst.

In meinem Falle ist der erste Moment die Realität, die mir ins Gesicht schlägt:

gefühlte 40 Grad, vermischt mit hektischem Stimmengewirr von dem ich kein Wort verstehe, dicht gefolgt von der Erkenntnis:

Ich bin angekommen! Angekommen in einem fremden Land! Und nun?

Ich stehe am Flughafen am anderen Ende der Welt und verstehe kein fucking Wort. Kann mich nicht entscheiden, ob ich nun Angst oder Freude fühlen soll. Und ich bin alleine.

Ob ich das so gut finde, weiß ich nicht genau. Ja, ich wollte schon irgendwie den einsamen Wolf spielen, vielleicht wollte ich auch Anerkennung für das, was ich tue. Nur nimmt mich diese Anerkennung jetzt leider auch nicht an der Hand und übersetzt mir die ganzen Schilder, von denen ich nur die Hälfte verstehe.

Ach ja, und da gibt es auch noch eine Frage, die ich die letzten Stunden während des Flugs konsequent ignoriert habe: Wie genau komme ich jetzt eigentlich von hier in mein Hostel?

MUTTERSEELENALLEINE?!

 

HOLY SHIT, JETZT GIBT ES KEIN ZURÜCK MEHR

 

Okay, eins nach dem Anderen. Nicht in Panik geraten. Erstmal irgendwie mein Backpack organisieren, dann raus und nach Bussen oder zur Not nach Taxis Ausschau halten. Mein Hostel heißt „Dominica“ und befindet sich im Viertel „Bellavista“. Da, wo die Kriminalitätsrate noch relativ gering ist. Heißt es.

Ich schnappe mir meinen Rucksack, der gefühlte 50 Kilo wiegt (Weggeh-Outfit und ne schicke Bluse muss schon sein!), bewege mich in Richtung Ausgang, die Türe öffnet sich, ich wage den Schritt ins Freie und denke:

Scheiße, jetzt gibt es kein Zurück mehr!

Ich fühle Schmetterlinge im Bauch. Ich bin aufgeregt. Das letzte Mal, als ich so fühlte, war ich verliebt. Jetzt bin ich auch verliebt, und zwar in die Idee, sicher und im besten Falle nicht total verschwitzt und keuchend im Hostel anzukommen.

Reicht schon, dass ich kaum Spanisch spreche, da muss ich dazu nicht auch noch aussehen wie Nachbars Lumpi. Schließlich will man ja auch einen guten Eindruck machen, in einem fremden Land, das für die nächsten 6 Monate mein Zuhause ist.

 

GLEICHGESINNTE, WO SEID IHR?

 

Ich sehe mich um nach anderen Backpackern, Gleichgesinnten, Vertrauten. Doch nichts. Still alone. Irgendwie ist das alles ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte und ok, in irgendwelchen Hollywood-Filmen gesehen habe. Meine Naivität hat mich mal wieder ausgetrickst. Aber ich ignoriere den Teufel auf meiner rechten Schulter, werfe mir mein Backpack auf den Rücken und trete aus dem Flughafengelände in Richtung der Busse.

„Wenn du einmal nicht weiter weißt, dann bitte um Hilfe!“ – diesen schlauen Satz hat mir einmal eine gute Freundin gesagt, den ich mir just in diesem Moment in den Kopf rufe. Recht hat se, warum auch immer alles alleine schaffen?

Aber scheiße, es ist mir peinlich. Peinlich mit meinem brüchigem Low-Budget-Spanisch fremde Leute anzureden.

Nachdem ich 10 Minuten auf mein Handy gestarrt und mir die Sätze im Kopf vorgeformt habe, steuere ich den am nett aussehendsten Busfahrer an und frage mit unsicherer Stimme nach der richtigen Linie, die mich in besagtes Viertel führt.

Nach ca. einer halben Stunde mit wild gestikulierenden Händen und weiteren 3 zur Hilfe eilenden Passanten wird mir der richtige Bus zugewiesen. Und ein Keks in die Hand gedrückt. Ein Keks, der mir in diesem Moment klar macht:

Ich bin gar nicht alleine. Und hey, ich habs geschafft!

 

SAVE, NICHT ALLEINE UND MIT KEKS

 

Stolz und total geflasht von meiner Erkenntnis bekomme ich Tränen in den Augen. Ja, schon wieder. Doch diesmal bin ich gerührt. Gerührt von dieser Hilfsbereitschaft und Wärme fremder Menschen, die helfen, ohne etwas dafür zu erwarten und mir meine Angst genommen haben. Zumindest jetzt, für diesen einen Moment, fühle ich mich sicher.

Immer noch baff setze ich mich in den Bus, schnalle mir meinen Rucksack an meinen Fuß (jaa, ganz brav aus dem Lonely Planet übernommen) und bete einfach nur, dass es tatsächlich der richtige Bus ist.

Tatsache ist es der richtige Bus, der mich in das richtige Viertel und zum richtigen Hostel fährt. Zwar nicht genau vor die Haustüre, doch immerhin nur 10 Gehminuten entfernt von meinem Ziel. Meinem ersten Ziel hier in Südamerika. Und ich habe es geschafft. Mit Keks und einem nur halb durchgeschwitztem T-Shirt.

Und am Wichtigsten: Nicht alleine.

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