Hier bei José gefällt es mir. Es gefällt mir sogar sehr gut. Ich fühle mich wohl.

 

 

Ich fühle mich wohl weil wir Drei innerhalb von 2 Tagen zu Freunden geworden sind. Zu Freunden, die zwar alle komplett unterschiedlich sind, aber trotzdem immer mehr Gemeinsamkeiten finden.

So sitzen wir augenblicklich vor Josés ultra langsamen und nervtötendem Computer – In der Hoffnung, sein Profil bei Couchsurfen etwas aufzupeppen. Wir Drei lachen uns schlapp, über sein dezent von der Wirklichkeit abweichendem Englisch und in dem gleichen Moment über mein Spanisch. Wir lachen darüber, dass ich immer nur die Hälfte verstehe – aber trotzdem manchmal so tue als hätte ich sie verstanden, in der Hoffnung nicht nachfragen zu müssen. Und dann immer eifrig mit dem Kopf nicke. Wir lachen über Marias Drang immer die Mutti spielen zu müssen, uns ein wenig zu bevormunden und wie José und ich dann immer mit den Augen rollen – uns aber gleichzeitig freuen, wenn jemand unseren Kaffee in der Früh kocht und aus den Federn scheucht. Wir lachen viel. Und auch wenn die Sprachbarriere für mich nach wie vor ein Hindernis darstellt, komme ich weiter und verstehe täglich mehr. Und das mit Hilfe meiner Freunde.

 

WARUM IMMER SO SCHNELL WIE MÖGLICH?

 

Morgen will ich weiterreisen. Der Plan ist, dass ich insgesamt nur 2 Nächte bei José bleibe, und dann weiter mit dem Bus nach Lima fahre – um dort ein paar Nächte bei einem weiteren Bekannten bei Couchsurfen zu bleiben.

Der Plan sagt, ich solle weitergehen, aber mein Herz sagt, ich möchte bleiben. Der Kopf sagt, ich habe ja ein Ziel – Columbien – dass ich so schnell wie möglich erreichen möchte, um dann so schnell wie möglich ein Projekt zu finden, so dass ich so schnell wie möglich etwas Nützliches tun kann und so schnell wie möglich die halbe Welt rette.

So schnell wie möglich. Merkste was? 🙂

Total bescheuert. Wie kommt es, dass wir uns so dermaßen hetzen, von Zeit zu Zeit? Dass uns Stillstand so schwer zu fallen scheint und wir den jetzigen Moment nicht hundertprozentig genießen können? Weil wir ja weiter wollen – immer schneller und besser.

Aber wenn wir immer rennen, anstatt zu spazieren, sehen wir nicht, was sich genau vor uns befindet. Wie verpassen Chancen, Gelegenheiten. Vor lauter schnell schnell. Wir sehen sie nicht, weil wir nicht innehalten. Weil wir uns keine Pause gönnen, kein Durchschnaufen und Genießen.

 

KOPF ÜBER HERZ

 

Ich meine, der erste Mensch, der den Mount Everest bestiegen hat, ist bestimmt auch nicht wie von der Tarantel gestochen gleich auf den Gipfel des Berges gesprintet. Nein. Ich mir relativ sicher, dass er jeden Schritt mit Bedacht gewählt hat und in den schönen Momenten innegehalten hat, stehengeblieben ist und die Natur genossen hat.

Ich wünschte, ich wäre schon vor meiner Abfahrt von José so kluge gewesen – war ich aber leider nicht 🙂 Stattdessen hat mein Kopf gesiegt und ich kaufe mir ein Busticket, um meinem Plan nachzugeben. Und das Komische: Obwohl wir nur 2 Tage zusammen verbracht haben, sind wir traurig. Traurig, dass ich Morgen gehe, sich unsere Wege trennen, und wir uns wahrscheinlich nicht wiedersehen.

Klar, wir sprechen darüber, uns zu Hause zu besuchen, in Kontakt zu bleiben und zu schreiben. Aber dass wir alle Drei in unterschiedlichen Ländern leben und uns nicht Allen die gleichen Möglichkeiten offenstehen, schafft eine unsichtbare Barriere.

 

NEXT STOP: LIMA

 

Und so stehen wir einen Tag später am Busbahnhof. Alle Drei mit Trauermienen und ich mit noch na Ladung Zweifel auf den Schultern – ob es auch die richtige Entscheidung ist, weiterzufahren? Maria bleibt noch eine Nacht, bis sie den Machu Picchu besichtigt, wir hätten also locker noch einen schönen Abend zusammen.

Ach neeeiiin, wurscht, mag jetzt auch kein Fass aufmachen, trara wegen Ticketumtausch, sagt mein Kopf. Also bleibe ich bei meiner Entscheidung. Zusammen sitzen wir und warten, bis meine Busnummer aufgerufen wird. Zusammen trinken wir noch einen Tee. Wir schweigen mehr, als das wir reden. Ich bedanke mich für die gemeinsame Zeit, die Hilfe und das Organisieren.

 

ICH BEGLEITE DICH AUF DEINEM WEG

 

Wenig später stehe ich in der Reihe, José links neben mir und Maria zu meiner Rechten. Und kurz bevor ich mein Ticket zeige, in den Bus steige und – wie üblich – die ein- oder andere Träne vergieße, ruft mich Maria zurück. Ich drehe mich um, sie nimmt meine Hand und bindet mir ein rotes Band um – das solle Glück bringen. Damit sie über mich wacht und wenigstens einer auf mich aufpasst. Und da beginnen José und ich wieder zu grinsen – bis das Grinsen in Lachen übergeht, denn da ist sie wieder, Mama Maria.

Und so packe ich mein Herz und meinen Kopf ein und steige in den Bus. Und meine Tränen kommen diesmal vom Lachen.

Und ich bin mir sicher, das nächste Mal bin ich klüger und höre gleich auf mein Herz. Und dann verweile ich da, wo ich glücklich bin.

 

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